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Angst vor der Quarantäne

  • Laura
  • 17. Nov. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Die Corona-Zahlen steigen in diesen Tagen rapide an und es ist grade keine Wende in Sicht.

Und das schlimmste ist, es handelt sich dabei nicht um ein lineares, sondern ein exponentielles Wachstum. Wie problematisch das steigende Infektionsgeschehen ist, wurde mir aber erst so richtig bewusst als ich im Supermarkt wieder das Hinweis-Schild mit der Aufschrift: „Nur 1 Packung Klopapier/pro Person“ entdeckte. Denn wie wir bereits in der 1. Welle im Frühjahr 2020 erfahren durften, wenn erstmal die Klopapier-Regale leer gekauft sind, dann sind wir mitten in einer bedrohlichen gesellschaftlichen Krise angekommen.


So beobachte ich, die sich schnell zu ändern scheinende Situation genau. Bei jedem zusätzlichen Schritt, welcher auf der Corona-Fallzahl-Anzeigetafel nach oben zeigt, steigt im Gleichschritt auch die Anzeige auf meinem Angstbarometer. Ja ich habe große Angst! In erster Linie nicht vor einer Ansteckung, sondern vor einer Quarantäne-Situation.

Wenn ich mich an die Wahrscheinlichkeitsrechnung aus dem Mathematikunterricht der Oberstufe zurück entsinne, dann wird es nach Adam Riese in diesen Tagen zunehmend wahrscheinlicher, dass mein Sohn und ich früher oder später in eine Quarantäne-Situation kommen würden.

Zum Glück spreche ich hier noch im Konjunktiv - und das soll bitte auch so bleiben. Denn bereits einen Tag zu Hause mit meinem Sohn, ohne raus zu gehen, ergibt hinter dem mathematischen Gleich-Zeichen ein absolutes Desaster: „Sohn + ich + drinnen + alleine = Desaster.“


Wie soll ich eine Quarantäne mit meinem, nicht einmal zwei jährigen Kind, bloß überstehen. Ich bin belastbar und meistens positiv eingestellt, aber auch ich habe Grenzen! Diese habe ich erst seit mein Sohn auf der Welt ist, so richtig kennenlernen dürfen.

Und genau diese Grenzen sind es, die mir bereits in einer gedanklichen Quarantäne mächtig Angst einflössen. Was passiert, wenn ich überfordert bin in der Quarantäne?

Dann kann ich nicht einfach zum Telefon greifen und den Notfallknopf aktivieren, um eine Freundin anzurufen und sie zu bitten, dass sie meinen Sohn kurz zu sich nimmt.

Zugegeben, ich habe diesen Notfallknopf noch nie gedrückt. Nicht weil ich noch nie an meine Grenzen gekommen bin, sondern viel mehr, weil allein die Tatsache zu wissen, dass ich diesen Knopf drücken könnte, es bisher schon ausreichte. Aber in einer 10 tägigen Quarantäne bin ich absolut sicher, dass ich diesen Knop drücken müsste. Stolz hin oder her. Schließlich würden schon bereits 30 Minuten ausreichen, um meine Nerven wieder zu besänftigen und meinen Gedulds-Akku wieder aufzuladen.


Es kann doch nicht sein, dass ich in einer Quarantäne keinerlei Entlastungsmöglichkeit hätte. Ich muss doch die Möglichkeit haben einen Notfallknopf drücken zu können?

Getrieben von meiner Angst, versuchte ich mir Lösungen zu erarbeiten. So wie es eine Tochter eines Feuerwehrmannes eben tut.

Kann ich vielleicht Schutzkleidung kaufen und diese für den Fall der Fälle griffbereit haben. Nach dem Motto: „Liebe Anna, gehe bitte mit meinem Sohn eine Runde in den Wald spazieren. Du findest die Schutzkleidung unter dem Blumentopf und meinen Sohn in der Karre vor dem Haus. Vielen Dank, deine Laura.“

Wer jetzt meint ich würde übertreiben, den beglückwünsche ich zu guten Nerven. Aber für mich ist das ein ernsthaftes Problem. Klar ist Angst bekanntlich kein guter Berater, aber deshalb erst gar keine Vorkehrungen zu treffen?

Für jedes Gebäude gibt es einen Evakuierungsplan. Und für eine Situation in Quarantäne, in der man maßlos überfordert ist, nicht?


Die Paw Patrol, aus der gleichnamigen Kindersendung, kann ich im realen Leben leider auch nicht anrufen. Wie gern würde ich einfach als Anrufer bei meinem Freund Ryder auf seinem Display aufblinken, welcher sofort die Fellfreunde in die Zentrale rufen würde und einen Retter auf 4 Pfoten nach dem anderen einsetzen würde um zu helfen.

Skye würde uns dann zuverlässig die Einkäufe einfliegen, Marschall würde meinen Sohn bespassen, Rubble ihm im Handumdrehen eine riesen große Sandburg im Garten bauen und Zuma würde mit seinen Turbo-Wasserdrüsen Action in der Badewanne machen. Chase, würde das Haus bewachen und sicherstellen, dass kein Paketbote dem Haus zu nah kommen würde und Rocky? Ja der könnte all die Sachen reparieren, die schon lange repariert werden müssten, wie z.B. die Schranktür, welche seit Monaten keinen Henkel mehr hat und ich so mehrmals täglich auf Zehenspitzen durchs Greifen der oberen Außenkante die Tür öffnen muss.


Aber in meiner Realität ist da Niemand der mir dabei hilft. Kein Partner der mal kurz das Kind nimmt und mich ein paar Minuten durchatmen lässt. Mit dieser Herausforderung würde ich einmal mehr ganz allein dastehen und die Verantwortung tragen müssen, dass selbstverständlich wir gut ohne einen psychischen Schaden aus der Quarantäne herauskommen würden.

Ich beschließe für mich, dass ich schleunigst einen Notfallplan benötige. Ich muss wissen was ich machen kann, sobald ich in die Quarantäne müsste? Ich kontaktiere also eine Beratungsstelle für Eltern, um mich zu erkundigen was ich in so einer Situation machen kann? Ich berichte der netten Dame, älteren Semesters, am Telefon von meiner Angst und erfahre zum Glück aufrichtiges Verständnis!

Der, in dem Gespräch gemeinsam mit diesem netten Engel auf der anderen Seite der Leitung, ausgeheckte Notfallplan sieht Folgendes vor:

Prävention: Konsequent Kontakte reduzieren, Home-Office machen und in allen Situationen wo man auf andere Menschen trifft: Maske tragen. Einschließlich bei mir zu Hause, sofern ich Besuch habe.


Gesagt getan. Zum Glück waren die Freunde verständnisvoll. Bis auf einen – welcher doch prompt sich nicht mehr mit mir treffen wollte, wenn ich in seinen Augen so übertreiben würde und eine Maske tragen würde.

Was ich ihm nicht begreiflich machen konnte war, dass es hier nicht nur um die Ansteckungsgefahr, sondern um ein weiteres und für mich persönlich viel bedrohlicheres Problem ging: Eingesperrt in einer kleinen Wohnung mit einem Kleinkind, dass weder Rücksicht noch Verständnis haben wird, das wir nicht rausgehen dürfen und Vollgas seine Trotzphase auf ein neues Level anheben würde. Nein danke, darauf verzichte ich! Mir reicht das normale Level der Trotzphase aus, da brauche ich kein Level 2.

Also entschied ich mich dafür diesen Freund dann eben nicht zu sehen. Denn ich muss jetzt an mich denken und bin stolz auf mich, dass ich meine Nerven soweit realistisch einschätzen kann, um zu wissen, dass ich eine Quarantäne nur schwer nervlich durchstehen würde.

Eine weitere präventive Vorkehrung im Notfallplan sieht vor: Keller ausmisten, um diesen zum Spiel-Zimmer für meinen Sohn umgestalten.

Darüber hinaus, Geld auf die Seite legen, sodass ich mir den Luxus leisten könnte, Lebensmittel mir liefern zu lassen sowie das ein oder andere Spielzeug.

Und wenn es hart auf hart kommt, dann habe ich in diesem Telefonat erfahren, dass die Quarantäneregeln nicht so einschneidend sind, wie es mir ein Arbeitskollege zuvor aus der eigenen Erfahrung berichtete: Denn in den eigenen Garten zu gehen, ist hingegen seiner Aussage, erlaubt. Auch dürfen Kinder von einer Person, welche nicht in Quarantäne ist, abgeholt werden und gemeinsam einen Spaziergang machen.


Einmal mehr hat mir dieses Erlebnis aufgezeigt, immer erst an die Experten wenden und selbst nachlesen, bevor man aufgrund versehentlich weitergegebener falscher Informationen sich in eine Panik versetzt, in der man nicht mehr klar denken kann und man maßlos überfordert ist.

Wenn es trotz aller getroffenen Vorsicht zu einer Quarantäne Auflage kommen sollte, so werde ich es nun schaffen. Die Angst ist verflogen und ich blicke Zuversichtlich auf diese reale Gefahr. Und wer weiß, vielleicht gäbe es ja auch ein paar schöne Momente.


Denn was Freunde mit Kindern, welche ihre erste Quarantäne schon hinter sich haben, berichten, ist dass man als Familie nach ein paar turbulenten Tagen dann zur Ruhe kommt und sich eine bescheidene Routine entwickelt, wie baden, spielen, backen und kochen. Und wenn der 10. Tag dann geschafft ist, ist man für die sonst so selbstverständlichen Dinge wieder dankbar.

Freiheit und frische Luft scheinen sich dann wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern zusammen anzufühlen. So scheint es mir, dass einige tatsächlich zufriedener aus der Quarante herauskommen als sie in die Quarantäne reingegangen sind. Betrachtet man nur diesen Aspekt, so bringt die herausfordernde Corona-Situation dann wohl auch ein paar besinnliche Glücksmomente mit sich.



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